Ich sehe was ....

Ich erinnere mich an ein Bild. Es zeigt einen Mann in Badehose. Sein großer Sonnenhut bedeckt fast den ganzen Kopf. Mit seiner Gießkanne begießt er ein kleines Pflänzchen. Ganz gelassen wirkt er dabei, man hört ihn fast munter vor sich hin pfeifen. Lässig hat er ein Netz über die Schulter geworfen und hält es mit der rechten Hand fest. Das ist kein bloßes Netz - beim genauen Hinsehen entpuppt es sich als Hängematte. Sie ist an einem Baum am rechten Bildrand festgebunden.
Aha - das kleine Pflänzchen, das da so liebevoll und geduldig gepflegt wird, soll auch einmal ein Baum werden ...? Er soll das andere Ende der Hängematte tragen ... Da muss er aber noch lange drauf warten! Aber das scheint den Mann gar nicht zu stören ... Er ist jetzt schon bereit, auch das zweite Ende der Matte festzubinden. Auch die passende Kleidung hat er schon angezogen, um sich in ihr auszustrecken.
Ein komisches Bild. Man kann es eigentlich nur schmunzelnd betrachten. Was bringt den Mann mit seiner Hängematte dazu, sich so zu verhalten? Zwei Dinge: Er ist angetrieben von seinem Wunsch, in der Matte zu liegen, wenn es so weit ist. Und er ahnt schon, was erst noch werden muss: Er weiß, dass ein Baum groß genug werden kann und hat den Beweis dafür direkt neben sich. Das lässt ihn so frohen und zuversichtlichen Mutes sein: "Dieser kleine Zweig wird mich einmal tragen können. Die Zeit muss dazu nur erst reif sein. Das ist alles."
Erstaunlich, nicht wahr? Eigentlich kurios. Ob ich so sein könnte? Und Sie?
Paulus konnte das! Er sieht auf das, was noch nicht zu sehen ist - wie der Mann auf dem Bild. Was Paulus erwartet, ist, dass die Zukunft das Reich Gottes bringen wird. Und so wie der Gärtner auf dem Bild jetzt schon bereit ist, in die Matte zu steigen, weil er sein Ziel schon vor Augen hat, hat auch für Paulus neues Leben durch den Glauben schon begonnen: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." (2. Kor 5,17). Unbeirrbare Hoffnung. Schon von dem zehren, was erst noch werden soll. Dazu lädt mich das Bild ein. Und das ist es auch, was Paulus nicht müde werden lässt.

Pfarrer Wolfgang Dörrich

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