Passionszeit - von der Asche zum Feuer

Von der Asche zum Feuer – hier kehrt sich was um. In der Realität kommt zuerst das Feuer und dann, als sein Ergebnis, bleibt die Asche übrig.
Die Symbole und Bilder des Osterfestkreises sind aber genau umgekehrt.
Der Osterfestkreis beginnt mit dem Symbol der Asche. Dann folgt die 40-tägige österliche Bußzeit. An deren Ende steht das Symbol des Feuers. In der Osternacht wird neues Feuer entzündet, gesegnet und seine Flamme über die Osterkerze an alle weitergegeben. Das Feuer führt uns hinüber von der 40-tägigen Zeit der Buße und Besinnung zur 50-tägigen Zeit des Festes und des Feierns. An deren Ende hören wir nochmal vom Feuer: Am Pfingstfest, vom Feuer des Heiligen Geistes.

Hier ist bewusst etwas umgekehrt. Und „Umkehr" ist ja auch das Schlüsselwort der „Fastenzeit". Wir sind es gewohnt, erst mal an Umkehr im persönlichen Leben zu denken: Was will ich ab dem Aschermittwoch anders machen, worauf will ich verzichten und so weiter. Die einen sehen darin eine willkommene Einladung, die eigenen Gewohnheiten zu überdenken und das Eine oder Andere umzukrempeln. Die anderen empfinden das als „moralinsaure" Bevormundung. Aber egal – darum geht's hier jetzt gar nicht. Das muss jeder Mensch für sich entscheiden. Ich möchte diese Umkehr weiter deuten. Hier tun sich Dimensionen auf, die weit über „gute Vorsätze" oder sowas hinausgehen.

Die erste Dimension, die ich in dieser Umkehrung sehe, ist die des eigenen Lebens. Asche ist normalerweise etwas Totes, scheinbar Wertloses. Da kommt nichts mehr heraus. Aber stimmt das? In früheren Zeiten, ehe es Waschmittel gab, hat man die weiße Asche zum Wäschewaschen verwendet. Sie kann also reinigend wirken. Wer über Asche im Haushalt verfügt kann sie im Winter auch als Streumittel auf dem Eis verwenden. Sie gibt Halt, wenn der Boden glatt wird. Und Asche ist nicht inhaltslos. Wer Asche und einen Garten zur Verfügung hat, streut sie auch mal auf den Kompost, sie birgt chemische Elemente und reichert den Humus an. Asche kann also reinigen, Halt geben und Nährboden bieten, auf dem neues wachsen kann. Asche ist ein Produkt der Vernichtung - ja. Und alles, was verbrannt ist, ist fort und weg und kommt nicht wieder. Dennoch ist die Asche weder wertlos noch nutzlos.

Asche wird zum Symbol des Neuanfangs, der Umorientierung. Die meisten Menschen erleben solche „Aschenereignisse", wenn Träume zerplatzen, Beziehungen zerbrechen, Existenzen scheitern, Fundamente, auf denen das bisherige Leben beruht hat, wegbrechen. Aus Asche lässt sich das Alte nicht wieder aufbauen. Aber das, was vorher war, ist nicht wertlos oder nutzlos. Das, was war, kann mich läutern, reinigen, es kann mir Halt und Sicherheit geben, wenn der Boden wieder glatt und rutschig wird. Auf der Asche meiner Verluste und Zusammenbrüche kann Neues entstehen und wachsen, wenn ich diese Asche einbringe und nutze. Die Asche am Anfang der Fastenzeit wird auch zum Symbol der Versöhnung verschiedener Teile meines Lebens. Und daraus wächst Hoffnung, wächst die Chance auf was Neues. Und dann wird der Tag kommen, an dem ich ein neues Feuer entzünde und sein Licht und seine Wärme auch wieder weitergeben kann.

Das Weitergeben des Feuers hebt uns auf eine höhere Dimension dieser Symbolik und ihrer umgekehrten Reihenfolge: Die soziale Dimension. Aus Asche wird nichts, wenn ich sie nicht nutze. Und auch das neue Feuer brennt runter und erlischt, wenn ich seine Flamme nicht erhalte und weitergebe, so wie das in der Osternacht von der Osterkerze aus, die am neuen Feuer entzündet wird, geschieht.
Es hilft nichts, wegen der Katastrophen der Geschichte und vor den Herausforderungen unserer Zeit zu resignieren. Und wir vertun uns die Chance, die Welt besser zu machen, wenn wir die Asche der Katastrophen ausblenden oder wegleugnen, wie das nicht wenige nur allzu gern tun. Es liegt an uns, daraus etwas Neues, etwas Besseres zu machen. Das geht aber nicht, wenn man die Asche in die Tonne des Vergessens und Verdrängens klopft, sondern nur wenn man sie in die Hand nimmt und den Mut hat, daraus etwas wachsen zu lassen. Und das Licht und die Wärme eines Feuers werden sich nur erhalten, wenn ich dieses Feuer empfange und weitergebe.

Mit der dritten Dimension, die in der Symbolik steckt, kann nicht jeder Mensch was anfangen, sie ist Glaubenssache: Die religiöse bzw. die christliche Dimension. Doch wer sie fassen kann, wird die beiden erstgenannten Dimensionen – die persönliche und die soziale Dimension – von selbst darin wiederfinden. Diese ganze Aschen- und Feuersymbolik macht sich fest an der Botschaft des Osterfestes. Der Tod Jesu und die Botschaft vom leeren Grab lassen auf der Asche der Sinnlosigkeit und Verzweiflung Neues wachsen. Das schwarze Loch des Todes, vor dem jeder Mensch steht, die scheinbare Sinnlosigkeit des Leidens der Menschheit und der ganzen Schöpfung werden wir nicht mit dem Verstand auflösen können. Der Osterglaube sagt: Es gibt mehr als du begreifen kannst. Und alles, was geschieht und geschehen ist findet im Letzten seinen Sinn – so wie die Asche, die aus dem Feuer kommt.

Aufgeschnappt beim altkatholischen Kurat Peter Priller, gekürzt von Doris Wild 

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