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Inklusion – echt jetzt?
Viele von uns denken, Inklusion sei einfach nur das modernere Wort für Integration. Dabei geht es bei Inklusion um etwas ganz anderes.
Es geht genau nicht darum, dass „besondere“ Menschen in eine „normale“ Gesellschaft oder eine Gruppe integriert werden, um dann dort so gut wie möglich zu funktionieren, sondern darum, dass alle Menschen in der Gesellschaft wahrhaftig miteinbezogen werden und selbstverständlich teilhaben. Und sich die ganze Gruppe mit und durch jede und jeden verändert.
Viele von uns denken, wir sind die „Normalen“. Die „Besonderen“, das sind die Menschen mit Handicap, mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung. Oder Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Zum Beispiel Geflüchtete.
Aber gibt es sowas überhaupt: „normale“ und „besondere“ Menschen?
Als wir uns in der Kirchengemeinde über das Thema Inklusion Gedanken gemacht haben, fragten wir uns: Wer ist schon ganz normal? Wir alle sind doch im Grunde besonders! Jede und jeder ist anders. Und wir alle wollen dabei sein. Dazugehören. Ein Teil einer Gruppe und vom Ganzen sein.
Wir haben gemerkt: Das Thema geht uns alle an. Denn jede und jeder hat Inklusionsbedarf. Und zwar nicht nur, weil mit dem Alter zwangsläufig Beeinträchtigungen kommen. Wir alle haben schon jetzt und hier Handicaps, die es uns manchmal unmöglich machen, Teil einer Gruppe zu sein:
Vielleicht ist der eine zu alt für etwas, eine andere zu jung, irgendjemand ist zu ungeschickt für eine Aufgabe. Und der da ist zu unsportlich. Da ist eine zu kompliziert, zu wenig entspannt. Die da sind zu zickig, die sind zu gefühlsduselig und da draußen sind viele, die sind einfach zu blöd, um zu kapieren, was wir hier Großartiges machen…
Exklusion ist auf den ersten Blick viel einfacher als Inklusion. Viele Gruppen definieren sich genau über dieses Ausschließen von anderen, dieses: Wir sind etwas ganz Besonderes. Da dürfen nicht einfach Krethi und Plethi, Hinz oder Kunz dabei sein.
Wer kann sich nicht an eine Situation erinnern, in der uns selbst eine Gruppe gezeigt hat, dass wir nicht dazugehören. Auch, wenn wir es nur durch die Blume erfahren haben, tat es wahnsinnig weh. Es schmerzte vielleicht sogar dann, wenn es die Gruppe gar nicht so gemeint hat, sondern wir es nur selbst so interpretiert haben. Denn schon die Angst vor dem „Nicht-dazu-gehören“ reicht oft, dass wir unsicher werden und unsere Potentiale nicht mehr entfalten.
Wenn wir eine Gruppe sehen, die fröhlich das tut, für das wir uns zu alt, zu jung, zu dick, zu dünn, zu klein fühlen, dann sind wir tatsächlich „ZU“ – also geschlossen, nicht mehr „offen“, einsam. Wir exkludieren uns selbst, schon allein, weil wir glauben, nicht perfekt genug zu passen. Welch gravierende Folgen dieses viel zu oft gelebte System von Exklusivität auf das Selbstwertgefühl aller hat.
Wie gut tut es da, wenn jemand aus der ersehnten Gruppe zu uns kommt und sagt: Wir nehmen Dich natürlich in unsere Mitte! Du gehörst dazu, nicht „obwohl“ Du nicht so bist wie wir, sondern „weil“…
Menschen, die erst einmal nicht perfekt in eine Gruppe passen, sind ein großes Geschenk. Eine Chance. Gerade weil sie die vermeintliche Routine und Ruhe stören. Weil sie uns manchmal herausfordern. Weil sie ein Mitdenken und Umdenken, eine echte Empathie erfordern. Weil sie uns klar machen, dass wir Menschen alle anders, bunt und vielfältig sind. Weil sie uns selbst die Sorge davor nehmen, nur wegen unserer Leistungen geliebt und anerkannt zu werden. Mit einem Satz: Inklusion entlastet uns alle von der Illusion der Perfektion. Ist die erst einmal überwunden, können wir endlich alle unsere verschiedenen Talente entfalten – ohne Angst vor dem Versagen.
Text: Anke Bahr/Light + cross Gottesdienst zur Inklusion am 19.1.23