Von welcher Kirche träumst Du?
Von welcher Kirche träumst Du?
Zum 25. Jubiläum unserer Segenskirche in Holzkirchen haben wir mal gewagt, von einer Kirche der Zukunft zu träumen. Hier die häufigsten Antworten an unserer Aktionswand:
Ich träume eine Kirche …
- die vor allem offen, tolerant, inklusiv, generationenübergreifend und vielfältig ist. Auch die Grenzen der Konfessionen und Religionen sollten überwunden werden.
- die musikalisch und kreativ ist, ob Blasmusik, Gospelchor oder mit der Gitarre am Lagerfeuer, oder tanzend.
- die Tradition und Erneuerung verbindet.
- die tiefen Glauben, Zuversicht und Trost vermittelt, in der Jesus im Mittelpunkt steht.
- die Gemeinschaft lebt und aktuelle Themen aufnimmt, sich für Nächstenliebe und Gerechtigkeit einsetzt.
Unser Bild von Kirche hat oft mit unseren Erfahrungen zu tun, die wir in der Vergangenheit schon gemacht haben. Und doch reichen diese inneren Bilder und Erfahrungen oft nicht aus, um die Zukunft zu gestalten. Wagen wir es doch zu träumen, neue Ideen zu entwickeln, unserer Sehnsucht zu folgen!
Auf dem Kirchentag in Nürnberg war das Motto: „Jetzt ist die Zeit“. Und in dem Forum „Zukunft von Glauben und Kirche“ wurde ein Bild von der Kirche der Zukunft deutlich, das mich sehr bewegt hat und das ich mit Ihnen gerne teile.
Es geht um einen Veränderungsprozess, eine Transformation, um „Bewegungen“. 6 davon will ich Ihnen vorstellen:
1.Die Bewegung weg von den Gebäuden, hin zu den Menschen.
Wir sind eine Kirche, in der Menschen sich und ihren Glauben oft mit den Gebäuden identifizieren. Kirchen und Gebäude sind für den Glauben wichtig. Heilige, besondere, neutrale und stille Räume sind auch in unserer lauten und kommerzialisierten Welt wichtig. Dennoch waren wir in den Gemeinden oft mehr mit dem Erhalt der Gebäude und Kirchen beschäftigt als mit den Menschen. Eine Kirche der Zukunft wird mehr unterwegs sein zu den Menschen, sie wird sich nicht in den eigenen Gebäuden zurückziehen und warten, dass die Menschen kommen, sondern hingehen an die Orte, wo die Menschen sind.
2.Die Bewegung von der Tradition hin zu einem neuen „Wir“ in der Gegenwart.
Wer und was Kirche ist, wurde bisher stark von den Menschen definiert, die schon in der Kirche waren und das schon seit 2000 Jahren. Menschen, die neu dazukamen, mussten sich oft in diese alten Traditionen einfügen. Eine Kirche der Zukunft wird sich mehr aus der Gegenwart definieren, durch das Wirken des Geistes Gottes zwischen Menschen vor Ort, durch das ein neues Wir entsteht. Das heißt nicht, dass unsere christlichen Wurzeln und Traditionen unwichtig sind, aber nicht die Menschen müssen sich an die Traditionen anpassen, sondern umgekehrt: Traditionen müssen weiterentwickelt und geöffnet werden für die Menschen, die da sind. Gottes Wirken in der Gegenwart wird wichtiger.
3.Die Bewegung von einer Überbringer-Kirche hin zu einer Suchenden Kirche.
Oft haben wir in der Kirche das Verständnis gehabt, dass wir das Evangelium haben und die gute Botschaft, den Glauben, in die Welt bringen müssen. Eine Kirche der Zukunft wird sich gemeinsam mit allen Menschen auf die Suche machen nach spirituellen Erfahrungen. Wir werden gemeinsam an unsere Sehnsüchte anknüpfen, die uns mit allen Menschen verbinden: die Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit, nach Sinn und Orientierung, nach Hoffnung und gelingenden Beziehungen. Wir bringen nicht Gott zu den Menschen, sondern wir glauben, dass Gott schon da ist und dass er schon wirkt unter den Menschen und wir uns gemeinsam dafür öffnen.
4.Die Bewegung von einem Nebeneinander zu einem Miteinander.
Bisher haben wir immer versucht, verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Dabei haben wir viele Menschen und Milieus in unseren Kirchengemeinden nicht erreicht oder leben oft nebeneinander in unseren Gemeinden: Senioren, Jugend, Kinder… Eine Kirche der Zukunft wird mehr vom Miteinander leben, von Treffpunkten, wo sich verschiedene Menschen begegnen, wo es generationsübergreifende Angebote gibt, wo Inklusion im weitesten Sinne gelebt wird. Weg von einer Zielgruppen-Kirche, hin zu einer Inklusiven Kirche, einem Ort, wo das gelingt, was oft in der Gesellschaft nicht mehr gelingt, wo wir Verschiedenheit und Vielfalt leben und als Bereicherung erfahren.
5.Die Bewegung von einer institutionellen Kirche hin zu einer spirituellen Gemeinschaft.
Die Zeiten sind vorbei, wo Menschen selbstverständlich zur Institution der Kirche gehörten, durch die Taufe Mitglieder wurden und durch die Eltern und Großeltern im Glauben geprägt wurden. Jetzt erleben wir schon seit mehreren Jahrzehnten einen Traditionsabbruch. Viele Menschen bekommen den Glauben, die christlichen Werte und Rituale nicht durch die Familie vermittelt, sind auch gar nicht mehr in der Kirche, sondern suchen nach spirituellen Erfahrungen, nach Sinn und Orientierung überall. Wir in der Kirche wären so ein Ort und so eine Gemeinschaft, wo wir Spiritualität von Anfang an neu leben und einüben können. Nur so kann eine neue innere Bindung an Glaube und Kirche entstehen. Kirche als spirituelle Gemeinschaft hätte eine Zukunft.
6.Die Bewegung von der Hierarchie zum Netzwerk.
Die Kirche der Zukunft wird nicht mehr eine hierarchische Kirche sein, wo der Pfarrer oder die Pfarrerin im Mittelpunkt und an der Spitze steht, sondern sie wird ein Netzwerk sein, wo Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen miteinander auf Augenhöhe mit den Ehrenamtlichen gemeinsam dieses Netzwerk pflegen und leiten. Teamwork, Gestaltungsfreiräume und die Möglichkeit der Selbstwirksamkeit sind wichtige Voraussetzungen, dass Gemeinde vor Ort wachsen kann und nicht durch zentrale Vorgaben von oben herab demotiviert wird.
„Wer keine Träume hat, hat aufgehört zu leben.“
Diesen Satz kann man auch auf unsere Kirche übertragen. Wenn wir aufhören zu träumen, nur überlegen wie wir sparen und alles zusammenkürzen, oder nur darüber nachdenken, wie wir das Alte, das Bisherige alles erhalten können, dann werden wir nur schwer einen Weg in die Zukunft finden.
Wenn wir als Christen und Christinnen träumen, dann erinnern wir uns immer an die Anfänge. Wir fragen, suchen und hören auf Jesu Stimme, auf seine Worte. Wir schauen darauf, wie hat Jesus das eigentlich damals gemacht, wie hat er die Gemeinschaft mit seinen Jüngern und Jüngerinnen gelebt, wie ist er mit Menschen umgegangen, wie hat er das Reich Gottes gelebt und ausgesät.
Und wir machen uns heute gemeinsam auf die Suche und laden Gottes Geist ein, dass er uns seine Kirche der Zukunft zeigt und uns dahin führt. Und es ist gut zu wissen, dass nicht wir die Zukunft der Kirche alleine gestalten müssen, sondern wir uns gemeinsam mit dem Herrn der Kirche auf den Weg machen können. Er hat seinen Jüngern bei seinem Abschied versprochen: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt.“ Amen.
Pfarrerin Ulrike Lorentz